Die drei Damen vom Klo
Premiere von «Die Präsidentinnen« in der Fertigungshalle
Das ganze Leben ist ein Griff ins Klo. Wer das nicht glaubt, kennt Werner Schwabs Stück «Die Präsidentinnen« noch nicht, das in der Inszenierung von Nikolaus Struck («Das Theaterprojekt«) in der Fertigungshalle Premiere hatte.
«Der Herrgott ist ein Schnellkochtopf, da wirst du ganz schnell weich, er kocht dir deinen schweren Kopf und tröstet deine Leich«. Der Hinterlader Seelentröster (Wolfgang Reyscher) klampft und singt diese Zeilen am Ende von «Die Präsidentinnen«. Und eine Tote gibt es nach spritzigen 90 Minuten tatsächlich zu beklagen.
Aber erstmal von vorne: Erna, Grete und Mariedl sitzen in Ernas Wohnküche und bewundern andächtig den Papst im Fernsehen. Das Farb-TV-Gerät hat sich Putzfrau Erna (Kristin Ude), die sich sogar ihren missratenen Sohn Hermann vom Munde abgespart hat, geleistet. Im Gegensatz zu ihrer Pelzmütze, die sie auch drinnen nicht ablegt. Die stammt von der Mülldeponie.
Schnell wird klar, warum man bei Schwabs Stück, das 1990 uraufgeführt wurde, auch von einem «Fäkaliendrama« spricht. Ganz unten, wo im Dreck menschlicher Abgründe gewühlt wird, riecht es eben nicht gut. Einer aber macht das nichts aus. Mariedl (eine Entdeckung: Mona Latendin) ist die jüngste in dem Dreigestirn. Sie hat das Reinigen verstopfter Klos zum heilsbringerischen Dienst an der Menschheit erhoben. Mariedl macht‘s auch ohne. Also ohne Gummihandschuhe.
Da sitzen sie also und fangen an zu streiten und zu fantasieren, träumen sich in eine irrwitzige Parallelwelt, in der Grete (Ulrike Gradl), die einst wegsah, als ihr Mann ihre Tochter missbrauchte, sexuell heiß begehrt wird, Erna endlich Fleischermeister Wottila näher kommt und Mariedl von lieben Menschen hinterlegtes Bier und Gulaschdosen aus dem Abort fischt.
Es ist einerseits urkomisch, wie sich die Schauspielerinnen die Bälle zuwerfen; andererseits schwingt in diesem bitterbösem Drama eine gepfefferte Ladung Tragik, Schmerz, Unterdrückung und Hass mit. Das Leben, ein Teufelskreis. Auch den drei Grazien schwant, dass sie in einer Dauerschleife des Grauens leben: Am Ende sehen sie sich selbst im Fernsehen in der Wohnküche sitzen und philosophieren, dazu kommen alberne Lacher vom Band. Der zu Recht große Beifall des Publikums ist allerdings echt.
(Nürnberger Nachrichten vom 12.12.2009 / Susanne Helmer)