Die Hölle, das sind die anderen
Hart, härter, Sarah Kane: „Zerbombt“, das Erstlingswerk der britischen Dramatikerin, hatte in der Fertigungshalle Premiere. Für zarte Gemüter ist Nikolaus Strucks Inszenierung nichts.
Natürlich, ein Sarah-Kane-Text ist kein Ponyhof. Gerade einmal fünf Stücke hat die 1971 geborene Autorin verfasst. Ihr erstes, „Zerbombt“, erschien 1995. Vier Jahre später brachte sich die schwer an Depressionen erkrankte Autorin um. In Erinnerung bleibt sie als radikale und schonungslose Vertreterin des modernen britischen Theaters.
Logisch also, dass „Das Theaterprojekt“ in der Fertigungshalle keine erbauliche Kuschel-Inszenierung bieten kann. Aber nach 85 teilweise hart an die Grenze des Zumutbaren gehenden Minuten fragt man sich: Wozu das Ganze? Und ist damit mittendrin in der Diskussion, die schon vor über 15 Jahren über die Stücke der jungen Autorin entbrannte.
„Zerbombt“ spielt in einem Hotelzimmer in Leeds. Journalist Ian (Markus Fisher), ein rassistischer Kotzbrocken, und seine ehemalige Freundin Cate (Ulrike Reinhold) treffen sich dort. Warum genau, erschließt sich nicht. Alles sieht nach einer Beziehungsgeschichte aus — es wird viel onaniert und manipuliert, eine psychische Grausamkeit reiht sich an die nächste. Ian ist wegen seines Lungenkrebses dem Tode geweiht, im Leben angekommen sind beide aber sowieso nie. Brutaler Höhepunkt der Zweisamkeit: Ian vergewaltigt Cate. Eine Szene, die dem Zuschauer immerhin erspart bleibt. Andere allerdings nicht.
Denn nach und nach erfährt man, dass draußen in der Stadt ein Krieg tobt. Plötzlich steht ein Soldat (Irfan Taufik) vor der Tür, der nicht nur hungrig ist, sondern auch „umkommt vor Lust“: Und die lebt er in einer Orgie der Brutalität aus. Auch aus Rache für den Mord an seiner Freundin.
Was will uns die Autorin, was will uns der Regisseur, der ein paar der barbarischsten Szenen sogar weggelassen hat, nun damit sagen? Gewalt im Kleinen führt zu Gewalt im Großen, ist am Ende gar dasselbe? Gewalt erzeugt Gegengewalt? Der Krieg beginnt in uns? Die Hölle, das sind die anderen? Sicher alles richtig. Aber das ist erstens nicht neu. Und zweitens bietet das Stück keine Lösungen an und gerät ab und an in den Verdacht, einfach nur dumpf schockieren zu wollen. Die paar wenigen Augenblicke, in denen dem Publikum ein kurzer Moment des „comic relief“, der Erleichterung durch eine komische Bemerkung, gegönnt wird, versanden. Dennoch: Verdienter Applaus für die tapferen Schauspieler.
(Nürnberger Nachrichten vom 28.05. 2011 / she)