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Bruder Eichmann 2010
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Bruder Eichmann 2005

 

 

 

 

 



 Büroleiter des Todes

Das richtige Stück am richtigen Ort: „Das Theaterprojekt“ führt Heinar Kipphardts Doku-Drama „Bruder Eichmann“ in einer bewegenden Inszenierung im Dokumentionszentrum Reichsparteitagsgelände auf.

„Meine einzige Schuld war, dass ich Befehlen gehorchte.“ Das war die Wahrheit des Adolf Eichmann (1906-1962). Als Büroleiter des Todes organisierte der SS-Obersturmbannführer den Genozid an den Juden, Sinti und Roma und anderen Verfemten des NS-Staats. Eine kleine, mittelmäßige Beamtenseele wurde zum Protokollführer der „Wannseekonferenz“ und koordinierte von seinem Berliner Schreibtisch im „Sicherheitsdienst“ aus die industrielle Vernichtung von sechs Millionen Menschen. Eindrucksvoll wie symbolhaft mündet das Todesgleis im Ausstellungssaal des Doku-Zentrums denn auch in die abgezirkelte Eichmann-Welt.

 

Heinar Kipphardt zeichnet die opportunistische Verlogenheit und anheischende Beflissenheit des NS-Schergen in aller Lakonie nach: Eichmann wird im israelischen Untersuchungsgefängnis von einem Ermittlungsrichter (Hans Hirschmüller), einem Hauptmann (Thomas Witte) und einer Psychologin (Maja-Maria Ludwig) interviewt. Keine einfache Aufgabe für die Drei angesichts der dämonischen Einfalt des Schreibtischtäters, der bei Erschießungen so gar nicht zusehen mochte, distanzierte Haltung zu bewahren.

 

Thomas Hinrich spielt diesen verklemmten Ordnungsfetischisten hinreißend farb- und charakterlos. Nicht nur, dass er von allen Mitwirkenden akustisch am besten zu verstehen ist, auch die Art wie er mit ganz kleinen Details, aber ohne Übertreibung die Spießernatur Eichmanns entlarvt, zeigt das grausam wahrhaftige Auge, dass Autor Kipphardt auf den selbsternannten Mitläufer richtet. Ulrike Gradl markiert als Eichmanns Ehefrau Vera eine Gefährtin, die die Lebenslügen ihres Mannes zum eigenen Überlebensprinzip erklärt hat.

Regisseur Nikolaus Struck schlägt den Bogen in die Gegenwart, indem er in eigens inszenierten Videos etwa einen US-Henker über seine 479 Exekutionen oder den ehemaligen stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner über seine Folterandrohungen gegenüber den Kindesentführer Magnus Gäfgen räsonnieren lässt. Die Erklärungsmuster gegenüber dem eigenen Gewissen lauten erschreckend ähnlich wie einst bei Eichmann, der nach dem Krieg erst in die Lüneburger Heide und dann nach Argentinien flüchtete.

 

(Nürnberger Nachrichten vom 08.11.10 / Jens Voskamp)

 

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