Mit Sympathie gegen Selbstmord-Pläne
Witzig, ohne Pathos: Das »Theaterprojekt« zeigte in Nürnberg »Norway Today«
Zwei junge Leute verabreden sich im Internet zum gemeinsamen Selbstmord. Eine gruselige Geschichte, die Igor Bauersima zu einem Stück verarbeitet hat, die seit Jahren auf europäischen Bühnen gespielt wird. Für die Version des freien »Theaterprojekts« in der Fertigunghalle hat Regisseur Nikolaus Struck die komischen Momente herausgekitzelt.
Juli lernt August kennen, als sie in einem Forum für Freitod-Kandidaten chattet. Dass sie
noch einen Begleiter für ihren Plan sucht, sich von einer 600 Meter hohen Klippe in den
norwegischen Fjord zu stürzen, lässt schon leise hoffen, dass menschlicher Kontakt sie
vielleicht doch noch von dem Entschluss abbringt. Zumal »ein echter Schwarm« sich meldet: August scheint nicht ganz so wild entschlossen und ist vor allem neugierig auf das Mädchen, das so zielstrebig Schluss machen will.
Neugier beim Chatten
Den Chat bringt die Inszenierung in der Fertigungshalle nicht wie so oft per Beamer zum
Mitlesen an die Wand, sondern zeigt die beiden Schauspieler jeweils am äußersten Rand der Bühne, nur mit kleiner Leselampe beleuchtet, wie sie in ihre Tastaturen tippen und das
Geschriebene zugleich sprechen. Schon da zeigen Mona Latendin und Irfan Taufik viele
Facetten ihrer schwer durchschaubaren Figuren, wechseln von Endzeitstimmung zur
jugendlichen Neugier.
Richtig heimelig wird’s dann auf dem Felsen über dem Meer, wo man sich mit Zelt, Rucksack und flatternden Nerven trifft. Dass noch ein gar nicht so dünner Faden die beiden jungen Menschen ans Leben bindet, zeigt schon die Packliste: »Wir brauchen Bier und belegte Brötchen!«. Merke: »Depressive Selbstmörder sind Waschlappen.«
Poetisch ohne Pathos
Hunger nach Leben und ein Polarlicht lässt die beiden Vertrauen gewinnen, auch wenn Juli
schon ganz gern den Sturz probt und in den Abgrund schaut, während August sich und sie
lieber zurückhält. Witzig und poetisch ist die Annäherung der beiden, bis sie zum gedachten Kuscheln im »Ich würde«-Modus mit drei Metern Abstand bereit sind. Situationskomik ergibt
sich von selbst, wenn im Streit einer dem anderen an den Kopf wirft »Ich bringe dich um!«
Eine unterhaltsame, vielschichtige Aufführung, die mit minimalen Mitteln die Spannung bis
zum Ende aufrecht erhält.
(Nürnberger Nachrichten vom 10.05.10 / erl)