Eine Nacht der Liebes-Rhapsodie
Shakespeare in der Fertigungshalle
Gelesen werden in dieser Nacht jedoch nicht irgendwelche Shakespeare-Texte, sondern die geheimnisumwitterte Liebesdichtung des großen Dichters und Denkers. Von der Minnelyrik ist immer noch nicht klar, ob sie sich an jemanden bestimmten richtete und ob sie nicht eventuell sogar über einen Mann handelt. Dieser Zyklus aus dem Jahr 1609 ist jedenfalls wahrlich harter Stoff...
Dreißig von 154 Shakespeare-Sonetten hat der Frankfurter Regisseur Hartfried Kaschmieder ausgewählt, die Thomas Witte (Gostner Hoftheater) und Nikolaus Struck (Das Theaterprojekt) im Ping-Pong-Verfahren vortragen. Zwischendrin wird übergeblendet zu Hubert Steiner, der auf der Konzertgitarre (leider sehr leise) Ausschnitte aus Hans Werner Henzes schwer verdaulichem Sologitarren-Werk «Royal Winter Music» («Ophelia», «Ariel», «Romeo & Juliet») sowie Stücke vom Shakespeare-Zeitgenossen John Dowland zupft.
Wie auf einem Renaissance-Bild sind die Sprecher angeordnet. Auf dem Tisch liegen nur wenige Requisiten (ein Handspiegel, ein Blumenstrauß, eine Puppe, drei Äpfel). Dem Wort gehört die Nacht, den Rest an Atmosphäre besorgen die Musik, clevere Blenden von Lichtinsel (Text) zu Lichtinsel (Ton) sowie simple, aber eindrucksvolle Fotoprojektionen via Beamer. Eine statische wenngleich stimmig inszenierte Literaturstunde.
Und die taucht tief ein, erzählt von der Liebe eines jungen Mannes zu einer mysteriösen älteren Lady: Das bekannte Spiel aus nah und fern, erweitert um allerlei existentielle Gedanken, wird wohlfein gestrickt hin zum bitteren Ende. «Der Tod hat nur die Stummen in der Hand. Dies sei dein Denkmal, das noch fortbesteht, sind Grab und Wappen längst vom Wind verweht.» In der Fertigungshalle bleiben die Shakespeare-Verehrer an diesem Abend unter sich, kommen jedoch auf ihre Kosten.
(Nürnberger Nachrichten vom 14.12. 2009 / gnad)