In den 90er Jahren hat Sarah Kane mit ihren radikalen Stücken dem Theater einen heftigen Impuls versetzt. Ihre Texte, die um Themen wie Angst, Krankheit, Sehnsucht, Tod, Gewalt und Hoffnung auf Erlösung kreisen, sind kompromisslos direkt und poetisch zugleich. Mit „Gier“ verlässt Kane endgültig den Rahmen des well made play. Sie konfrontiert uns mit einem Konzert aus Stimmen und Gedanken, Flüstern und Schreien. Die fiktive Bühnensituation löst sich in eine reine Dichtung auf, die einen beängstigenden Sog entwickelt.
Die Figuren haben keine Namen in diesem Stück, lediglich Buchstaben kennzeichnen sie.
Sie kommen von nirgendwoher, gehen nirgendwohin und haben keinen Ort, keine Zeit, keinen bestimmten Raum. Dennoch sind sie von schmerzhafter Präsenz in ihren manchmal fast gewalttätigen Sprechakten.
"Ein Kreis ist die einzige geometrische Form, die von ihrem Zentrum definiert wird. Keine Frage nach Huhn oder Ei, erst kam das Zentrum, der Umfang folgt. Die Erde hat, per Definition, ein Zentrum. Und nur der Depp, der das weiß, kann hingehen, wo es ihm gefällt, weil er weiß, das Zentrum wird ihn unten halten, verhindern, dass er aus der Umlaufbahn fliegt. Aber wenn sich dein Sinn fürs Zentrum verschiebt und schwirrend an die Oberfläche kommt, dann ist das Gleichgewicht weg. Das Gleichgewicht ist weg. Das Gleichgewicht, mein Kleines, ist weg". (Sarah Kane / Gier).